Der große Sprung - Vom Umgang mit Leitern!
Abstürze von Leitern sind häufig und gefährlich
Amerikanischen Wissenschaftlern zufolge sind Leitern gefährlicher als Motorsägen. Hat man gegenüber Motorsägen ein gesteigertes Gefahrenbewusstsein, ist dies bei Leitern oft nicht der Fall. Die Folge ist eine hohe Unfallquote mit tendenziell hohem Verletzungsgrad. Das hat finanzielle Konsequenzen für das Unternehmen und den Beschäftigten. Zudem entstehen auch organisatorische Hürden. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Laut Definition ist ein Absturz das Herabfallen von Personen auf eine tiefer gelegene Fläche oder einen Gegenstand.
Laut Statistik tendenziell hoher Verletzungsgrad
Im Zeitraum 2006—2015 waren Leiterunfälle durchschnittlich mit 8,37 Prozent aller meldepflichtigen Arbeitsunfälle häufige Ursache. Außerdem sind sie der häufigste Grund tödlicher Zwischenfälle (Quelle BG Bau). Dabei ereignet sich die Hälfte der Unfälle aus einer Höhe von weniger als 5 Metern. Die Folge ist eine im Schnitt lange Gesundheitsbeeinträchtigung mit wirtschaftlichen und organisatorischen Konsequenzen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Neue erwerbsminderungsbedingte Rentenfälle finden auch dort ihren Ausgang. Nach Angaben der BG Bau ereigneten sich im Zeitraum 2009—2018 871 tödliche Arbeitsunfälle, von denen mehr als ein Drittel Folge von Abstürzen war. Nahezu 50 Prozent waren Stürze von einer Leiter.
90 Prozent der Unfälle gehen auf mangelnde Standfestigkeit zurück
Wenn es für Beschäftigte der Bauwirtschaft oder der Gebäudereinigung in die Höhe geht, sind Leitern erste Wahl. Unzureichend geschultes Personal hinsichtlich der verschiedenen Leiterarten und der Gefahren eines unsicheren Untergrundes spielen laut BG Bau eine gewichtige Rolle am Unfallgeschehen. Standsicherheit und Fehlbedienung sind also ausschlaggebende Faktoren der Unglücke. Eine neue EU-Norm soll diesen Missstand nun beheben. Hierbei zielt die Verordnung auf die Standsicherheit und Verwendungsart der Leitern ab.
DIN EN 131
Diese seit dem 01.01.2018 gültige Norm gliedert sich in sieben Teile, von denen die ersten vier die wichtigsten sind. Sie widmen sich den häufigsten Aspekten der Leiterverwendung. Piktogramme sollen Gefahren verdeutlichen und diese auch bei möglichen Sprachbarrieren vermitteln.
DIN EN 131-1 – Standverbreiterung + Auszugssperre
Erhöhte Standbreite und Traverse sind die wesentlichen Änderungen dieser Fassung.
Leitern ab 3 Meter Länge müssen mit einer Stand-Verbreiterung oder Traverse ausgestattet sein, wenn sie ebenfalls als Anlegeleiter genutzt werden können. Diese gilt auch für Multifunktionsleitern. Die Stabilisierungseinrichtung ist abhängig von der Länge der Leiter und entspricht 10 Prozent der Leiterlänge. Das heißt, eine 5 Meter Leiter benötigt eine Verbreiterung von 50 cm. Die maximale Breite der Verbreiterung (Traverse) ist 1,2 Meter. Mehrteilige Leitern müssen entweder mit einer Auszugssperre versehen sein, damit diese nicht einzeln verwendet werden können, oder die Einzelteile müssen ebenfalls mit der Sicherheit dienenden Traversen ausgestattet sein.
Bestandsschutz für ältere Leitern
Ältere Leitern müssen nicht zwingend ausgetauscht werden. Für sie gelten weiterhin die Normen der Rechtsvorschriften zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens. Allerdings sollte in einer Gefährdungsanalyse die Sicherheit überprüft werden und notfalls mit Nachrüsttraversen notwendige Vorkehrung gegen Umfallen oder Wegkippen erreicht werden. Auch wenn ältere Leitern nicht zwingend ausgetauscht werden müssen, hat der Arbeitgeber aber weiterhin eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Angestellten.
DIN EN 131-2 regelt Anforderungen, Prüfung und Kennzeichnung
Belastungs- und Funktionstests sind wesentliche Neuerungen der Verordnung. Es wird beschrieben, wie eine Leiter gegen verschiedene Belastungsszenarien zu prüfen ist. Hierzu zählen:
- Festigkeitsprüfung durch dynamischen Belastungstest
Dieser Dauerhaltbarkeits-Nachweis (Stampftest mit 50.000 Lastzyklen für den professionellen Lasttest simuliert die Mindestlebensdauer der Leiter - Rutschfestigkeits-Test, Sicherheit gegen Wegrutschen
- Torsionsprüfung, Nachweis gegen Verdrehen und Verwinden. Hierzu zählt auch die Festigkeitsprüfung der Stabilisierungseinrichtungen (Stützen und Traversen)
Für Leitern des privaten Gebrauchs gelten andere, weniger strenge Sicherheitsanforderungen.
DIN 131-3 Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung
Bedienungsanleitungen müssen in gedruckter Form mit der Leiter geliefert werden. Auch die Art der Prüfverfahren einer Leiter muss beschrieben werden. Des Weiteren ist die Wartung, Montage, Verwendungsmöglichkeiten und Lagerung zu beschreiben. Sicherheitshinweise sind in Form von Piktogrammen zu regeln. Diese finden Sie hier.
Der Anwender erhält damit genaue Informationen zum sicheren Umgang mit dem Produkt. Durch Wartungs- und Prüfhinweise ist er in der Lage, die Sicherheit der Leiter zu beurteilen und gefährliche Anwendungen zu vermeiden.
DIN 131-4 Eingelenk- und Mehrgelenkleitern
Auch diesen Leitern wurde Aufmerksamkeit geschenkt. Bei einer Gesamtlänge von mehr als 3 Metern müssen diese auch Standverbreiterungen haben. Das ist sinnvoll, da auch von Behelfsgerüsten Gefahr durch Wegkippen oder Wegrutschen besteht.
Benutzer-Anleitungen müssen in gedruckter Form zusammen mit den Leitern ausgeliefert werden. Im Abschnitt 3 der DIN EN 131 wird auch der inhaltliche Teil der Norm geregelt, beispielsweise das Prüfverfahren an Leitern. Die Sicherheitshinweise in Piktogrammen sollen anschaulich wichtige Sicherheitsaspekte vermitteln. Es dient der Sicherheit der Mitarbeiter und dem Interesse des Unternehmens. Laut einer Studie der Berufsgenossenschaft zahlt sich jeder in die Sicherheit investierte Euro mit dem Faktor 2,2 aus.
Weiterführende Links der wichtigsten Hersteller an Steigetechnik finden Sie unterhalb des Artikels.