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Zwischen Wischmopp und Burnout: Reinigungskräfte am Limit

Reinigungskraft, die sich auf einen Wischmopp stützt und ganz offensichtlich sehr erschöpft ist
Reinigungskraft, die sich auf einen Wischmopp stützt und ganz offensichtlich sehr erschöpft ist

Die Gebäudereinigungsbranche ist das Rückgrat unserer sauberen und hygienischen Umgebung. Doch hinter den glänzenden Fassaden verbirgt sich eine wachsende Belastung für die Beschäftigten. Hoher Arbeitsdruck, Personalmangel und psychische Belastungen führen zunehmend zu Burnout und gesundheitlichen Problemen.

 

Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)1 zeigt, dass einfach qualifizierte, körperlich tätige Beschäftigte wie Reinigungskräfte häufig ein hohes Arbeitstempo erleben und nur geringe Einflussmöglichkeiten auf ihre Arbeit haben. In dieser Gruppe ist der Anteil an Beschäftigten mit depressiver Symptomatik besonders hoch.

 

Ein Beruf mit Geschichte – Vom Wandwäscher zum Meisterbetrieb

 

Die Wurzeln dieses Berufs reichen weit zurück. Bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) tauchten in Norddeutschland sogenannte „Wand- und Wagenwäscher“ auf, die in den kriegszerstörten Städten ihre Dienste anboten. Die eigentliche Professionalisierung des Berufs setzte jedoch mit der kostengünstigeren Herstellung von Glas ab etwa 1861 ein. Fenster wurden erschwinglicher, nicht nur für das gehobene Bürgertum, sondern auch für die Mittelschicht. Damit stieg die Nachfrage nach spezialisierter Reinigung – besonders, als mit Industrialisierung und Städtebau neue Gebäudetypen mit Glasfassaden entstanden: Bahnhöfe, Kaufhäuser, Verwaltungsgebäude.

 

Die erste dokumentierte Fassadenreinigung datiert auf das Jahr 1888. Um die Jahrhundertwende formierte sich die Branche organisatorisch: 1901 wurde der „Verbund der Reinigungs-Instituts-Unternehmer Deutschlands“ gegründet. Ziel war die Anerkennung des Berufsbildes. Doch der Erste Weltkrieg (1914–1918) stoppte die Entwicklung, als zahlreiche männliche Beschäftigte zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Der Verband stellte seine Arbeit ein.

 

1934: Anerkennung als Handwerk unter den Nationalsozialisten

 

Die formale Anerkennung als Handwerksberuf erfolgte unter den Nationalsozialisten im Jahr 1934 – in einem politischen Umfeld, das von Gleichschaltung und Ausgrenzung geprägt war. Damals wurde die Glas- und Gebäudereinigung zum Ausbildungsberuf erklärt, verbunden mit einer Pflichtmitgliedschaft in der Innung. Jüdischen Mitbürgern war die Ausübung von Handwerksberufen ab diesem Zeitpunkt untersagt. Die Berufsanerkennung ist historisch belastet, bildet aber die Grundlage für die heutige dreijährige Ausbildung zum Gebäudereiniger bzw. zur Gebäudereinigerin mit anschließender Möglichkeit zum Meistertitel.

 

Ein Beispiel für die Entwicklung der Branche ist das 1934 gegründete Unternehmen Rudolf Weber2, das nach dem Krieg mit wenigen Mitteln wiederaufgebaut wurde und heute über 4.000 Mitarbeitende beschäftigt.

 

Nachkriegszeit bis heute: Dienstleistungsvielfalt und DIN-Normen

 

In den Nachkriegsjahren entwickelte sich die Gebäudereinigung zunehmend zu einem spezialisierten Dienstleistungssektor. Neue Verfahren, Materialien und Anforderungen führten zur Ausdifferenzierung des Berufsbildes. Die Ausbildung umfasst heute auch chemisch-technische Reinigungsverfahren, Arbeitsschutz, Umweltschutz und Kundenkommunikation. Spezialisierungen wie Desinfektor, Industriekletterer oder Tatortreiniger3 zeigen, wie facettenreich das Berufsfeld geworden ist.

Gebäude mit hohen Fenstern und Gebäudereinigern, die an der Außenfassade in Gondeln stehen und das Gebäude reinigen.

Viele Betriebe arbeiten heute nach zertifizierten DIN-Normen und sind Mitglied in der Innung der Gebäudedienstleister. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) ist zuständig für Arbeitsschutz und Unfallverhütung.

 

 

Der harte Alltag im Hier und Jetzt

 

Trotz aller Professionalisierung ist der Beruf nach wie vor körperlich fordernd, häufig schlecht bezahlt und mit unregelmäßigen Arbeitszeiten verbunden. Eine aktuelle Auswertung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) belegt, dass einfach qualifizierte, körperlich tätige Beschäftigte – darunter auch Reinigungskräfte – einem besonders hohen Arbeitstempo ausgesetzt sind, bei gleichzeitig geringer Kontrolle über ihre Arbeit. In dieser Gruppe ist die Rate an psychischer Belastung und depressiver Symptomatik besonders hoch.

 

Hinzu kommt der wachsende Druck durch den Fachkräftemangel: Laut einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) berichten über ein Drittel der Reinigungsunternehmen von gravierenden Personalengpässen. Rund 2,6 Milliarden Euro Umsatz gehen der Branche jährlich durch nicht erfüllbare Aufträge verloren.4

 

Psychische Belastungen – Wenn der Druck überhandnimmt

 

Gebäudereinigerinnen und Gebäudereiniger arbeiten oft dann, wenn andere längst im Feierabend oder noch nicht im Büro sind. Die Tätigkeiten erfolgen frühmorgens, abends, an Wochenenden oder in geteilten Schichten – häufig unter hohem Zeitdruck und in körperlich belastenden Haltungen. Doch nicht nur die körperliche Anstrengung ist es, die auf Dauer krank macht. Auch die psychischen Belastungen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen – und das in einem Beruf, der ohnehin selten im Rampenlicht steht.

 

Die Belastungen steigen: Früher unsichtbar, heute untragbar?

 

Lange Zeit wurden psychische Belastungen in der Reinigungsbranche kaum thematisiert. Bis in die 1990er-Jahre hinein galten körperliche Beanspruchungen wie Rückenschmerzen oder Knieprobleme als die hauptsächlichen Gesundheitsrisiken. Doch mit der zunehmenden Rationalisierung, steigenden Kundenanforderungen und sinkender Personaldecke kamen neue Herausforderungen hinzu – subtiler, aber nicht minder gefährlich.

 

Ab den 2000er-Jahren begannen erste Studien, auch in der Reinigungsbranche die Auswirkungen psychischer Faktoren zu untersuchen. Schon 2008 stellte die Hans-Böckler-Stiftung fest, dass Reinigungskräfte überdurchschnittlich häufig von Stress, Erschöpfung und dem Gefühl der Fremdbestimmung berichten.5 Die Arbeit wurde schneller, komplexer – gleichzeitig blieben Wertschätzung und Einflussmöglichkeiten gering.

Heute, im Jahr 2025, ist die Situation noch angespannter: Laut einer Erhebung der BG Bau aus dem Jahr 2023 gaben 74 % der befragten Reinigungskräfte an, sich regelmäßig unter Zeitdruck zu fühlen. 62 % empfinden ihre Arbeit als „psychisch belastend“, 38 % berichten von Schlafproblemen, Antriebslosigkeit oder depressiven Verstimmungen.6

 

Stressfaktoren 2025: Was macht krank?

 

Die Ursachen für psychische Belastungen in der Gebäudereinigung sind vielschichtig und verstärken sich oft gegenseitig:

  • Hoher Zeitdruck: Immer mehr Quadratmeter müssen in immer kürzerer Zeit gereinigt werden. Die sogenannte „Flächenleistung“ ist in vielen Ausschreibungen das zentrale Kriterium. Dabei geht oft der Blick für die Menschen verloren, die am Ende diese „Flächenleistung“ erbringen.

  • Personalmangel: Durch den Fachkräftemangel übernehmen wenige Beschäftigte die Arbeit vieler. Ausfälle müssen häufig intern kompensiert werden – zusätzliche Belastung, weniger Pausen, mehr Doppelschichten.

  • Schlechte Planbarkeit: Unregelmäßige Arbeitszeiten, kurzfristige Einsatzpläne oder geteilte Schichten führen dazu, dass private und familiäre Lebensbereiche kaum planbar sind – ein Dauerstress, der auf Dauer zermürbt.

  • Geringe Wertschätzung: Reinigungskräfte berichten häufig davon, sich „unsichtbar“ zu fühlen. Ihr Beitrag wird als selbstverständlich wahrgenommen – und das, obwohl gerade während der Corona-Pandemie deutlich wurde, wie systemrelevant Hygiene ist.

  • Kommunikationsdefizite: Viele Beschäftigte haben keinen direkten Ansprechpartner bei Problemen. Besonders bei ausgelagerten Dienstleistungen (z. B. in Schulen, Behörden oder Firmenzentralen) fehlt oft ein funktionierendes Feedback-System.

  • Sprache und Herkunft: Ein großer Teil der Gebäudereinigerinnen und -reiniger hat einen Migrationshintergrund. Sprachbarrieren und fehlende integrationsunterstützende Strukturen verstärken das Gefühl von Isolation oder Überforderung.7

 

Psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch

 

Junger Mann liegt erschöpft im Bett oder auf dem Sofa und hält sich eine Hand vor die Augen.Die gesundheitlichen Folgen dieser Entwicklungen sind gravierend. Laut DAK-Gesundheitsreport 2024 haben sich die krankheitsbedingten Fehltage durch psychische Erkrankungen in der Gebäudereinigung innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Besonders häufig: Erschöpfungsdepressionen (Burnout), Angststörungen und somatoforme Störungen (körperliche Beschwerden ohne organischen Befund).8

 

Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) hat deshalb begonnen, gezielt Programme zur psychischen Gesundheit für Reinigungspersonal zu entwickeln – darunter Präventionsschulungen, Führungskräfte-Coachings und anonyme Beratungsangebote. Erste Pilotprojekte laufen seit 2023 in Berlin, Leipzig und Hamburg.

Anhand zweier fiktiver Beispiele wollen wir aufzeigen, wie unterschiedlich – und zugleich herausfordernd – der Arbeitsalltag in der Gebäudereinigung sein kann. Ob unter extremen Hygieneauflagen in sensiblen Reinräumen oder in den frühen Morgenstunden in Arztpraxen und Büros: Reinigungskräfte leisten viel, oft unsichtbar und unter erheblichem Zeit- und Leistungsdruck. Die folgenden Szenarien geben Einblick in den oft unterschätzten Berufsalltag zweier Menschen, die zwar fiktiv sind, jedoch beispielhaft für viele stehen.

 

Ein Tag im Leben ...

 

Beispiel 1: Reinraumreinigung – Arbeiten unter absoluter Präzision

04:00 Uhr – Aufstehen. Die Reinigungskraft Susanne D. lebt mit ihrer Familie in Leverkusen und arbeitet in der Reinraumreinigung eines pharmazeutischen Labors. Das bedeutet: höchste Hygienevorgaben, steriles Arbeiten, völlige Konzentration – jeden Tag. Um 05:30 Uhr beginnt ihre Schicht.

05:20 Uhr – Umkleide. Bevor Susanne überhaupt nur in die Nähe des Reinraums darf, muss sie sich nach einem strengen Protokoll umziehen: Haare komplett unter die Haube, Mund-Nasen-Schutz, spezieller Overall, Überschuhe, doppelte Handschuhe. Jeder Handgriff muss sitzen.

05:40 Uhr – Reinigungsbeginn. Der Reinraum ist in mehrere Zonen unterteilt. In Zone A, wo direkt mit offenen Präparaten gearbeitet wird, herrscht die strengste Keimfreiheit. Susanne wischt alle Flächen mit alkoholischen Desinfektionsmitteln im vorgeschriebenen Kreuzverfahren – kein Wisch darf doppelt geführt werden, kein Bereich darf vergessen werden. Alles wird dokumentiert, inklusive Chargennummer des Desinfektionsmittels.

07:00 Uhr – Luftschleuse. Zwischen zwei Bereichen wartet sie geduldig in der Luftschleuse. Nur wenn die Partikelbelastung in der Umgebungsluft den Grenzwert unterschreitet, darf sie den nächsten Bereich betreten.

09:00 Uhr – Mikropausen. Zwei kurze Pausen sind erlaubt, die sie außerhalb des Reinraums verbringt. Danach beginnt alles wieder von vorn – inklusive Umkleideprozedur.

13:30 Uhr – Schichtende. Nach über acht Stunden im Reinraum ist Susanne erschöpft. Die Konzentration auf jedes Detail, die Verantwortung und das Wissen, dass eine einzige Nachlässigkeit gesundheitliche Folgen für Patienten haben kann, lasten auf ihr. Und doch bleibt kaum Anerkennung für ihre präzise Arbeit – viele wissen gar nicht, dass es diesen Beruf überhaupt gibt.

Beispiel 2: Frühschicht in Büros und Arztpraxen – Putzen im Verborgenen

03:45 Uhr – Der Wecker klingelt. Für Ahmet K., Gebäudereiniger in Teilzeit, beginnt der Tag lange vor Sonnenaufgang. Er arbeitet für eine Gebäudereinigungsfirma in Hannover, die ihn verschiedenen Objekten zuteilt. Heute stehen drei Arztpraxen und ein Bürokomplex auf dem Plan.

04:30 Uhr – Ankunft beim ersten Objekt. Ahmet schließt mit seinem Generalschlüssel die erste Praxis auf. Die Räume sind leer, die Luft noch abgestanden vom Vortag. Schnell macht er sich ans Werk: Böden wischen, Oberflächen desinfizieren, Mülleimer leeren, sanitäre Anlagen gründlich reinigen. Er hat exakt 45 Minuten Zeit, bevor er zum nächsten Einsatzort muss.

05:25 Uhr – Weiter zum Bürokomplex. Hier muss er zwei Etagen reinigen – Flure, Küchenzeile, Toiletten. Oft begegnet er dabei schon den ersten Angestellten, die früh zur Arbeit kommen. Ein „Guten Morgen“ ist selten. Noch seltener ein „Danke“.

07:00 Uhr – Letzter Stopp. In der dritten Praxis wird er oft kritisiert: „Da war noch Staub in der Ecke!“ – obwohl er dort täglich nur 20 Minuten Zeit hat.

07:45 Uhr – Feierabend. Zumindest fürs Erste. Denn oft übernimmt Ahmet am Nachmittag noch eine zweite Schicht in einem Einkaufszentrum, um auf ein existenzsicherndes Einkommen zu kommen. Er verdient brutto knapp über dem Mindestlohn.

 

Diese beiden Szenarien zeigen eindrücklich, wie unterschiedlich, aber auch wie intensiv und verantwortungsvoll die Arbeit von Reinigungskräften ist. Ob unter strengsten Hygienevorgaben oder unter großem Zeitdruck und ständiger Unsichtbarkeit: Die Belastung ist hoch, die Wertschätzung niedrig – und die gesundheitlichen wie psychischen Folgen oft gravierend.

 

Wissenschaftlicher Kontext

 

Studien zeigen, dass Reinigungskräfte ein signifikant höheres Risiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen, Hautkrankheiten sowie psychische Störungen haben – besonders wenn sie im Schichtsystem arbeiten oder mehrere Jobs kombinieren müssen. Auch die fehlende soziale Anerkennung spielt eine Rolle: Viele Beschäftigte berichten, dass sie sich wie Menschen zweiter Klasse fühlen.

 

Personalmangel und Überlastung – ein Teufelskreis

 

Die Gebäudereinigungsbranche steht seit Jahren vor einer strukturellen Herausforderung: dem gravierenden Personalmangel. Laut dem Branchenreport ArbeitGestalten wird es zunehmend schwieriger, qualifizierte Fachkräfte zu finden – besonders für anspruchsvolle Tätigkeiten wie die Reinraumreinigung oder Desinfektionsaufgaben9. Der demografische Wandel verschärft die Situation zusätzlich. Viele Beschäftigte sind älter als 50 Jahre, der Nachwuchs bleibt aus. Das Image des Berufs ist in Teilen der Gesellschaft nach wie vor schlecht, obwohl sich die Anforderungen deutlich erhöht haben.

Das führt zu einem gefährlichen Kreislauf: Die vorhandenen Reinigungskräfte müssen immer mehr Flächen in immer kürzerer Zeit bewältigen. Laut einem Bericht von UNI Europa, dem europäischen Dachverband für Gewerkschaften im Dienstleistungssektor, steigert der Personalmangel den Leistungsdruck massiv – was zu körperlicher und psychischer Überforderung führt. Die Folge: Erkrankungen, Ausfälle, Kündigungen. Und damit: noch mehr Personalmangel10.

 

Psychische Belastungen und Burnout

 

Eine symbolische Figur in einer Schraubzwinge, die massiv unter Druck steht.Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Erschöpfungssyndrome oder Burnout sind in der Gebäudereinigung keine Seltenheit mehr. Die Ursachen sind vielschichtig: hoher Zeitdruck, monotone Tätigkeiten ohne sichtbares Ergebnis, kaum zwischenmenschlicher Austausch und fehlende gesellschaftliche Anerkennung.

Eine Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) untermauert das mit Zahlen: Reinigungskräfte zeigen im Branchenvergleich ein überdurchschnittlich hohes Stressniveau. Besonders kritisch ist, dass viele Beschäftigte ihre Überlastung lange ignorieren – aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder Kolleg:innen im Stich zu lassen.11 Nicht selten endet dieser Druck in chronischer Erschöpfung oder langfristiger Berufsunfähigkeit.
 

Lösungsansätze: Was jetzt geschehen muss

 

Die Herausforderungen in der Gebäudereinigung sind bekannt – aber sie sind nicht unlösbar. Entscheidend ist, dass alle beteiligten Akteure Verantwortung übernehmen: Arbeitgeber, die Branche selbst, öffentliche und private Auftraggeber sowie die Reinigungskräfte.

 

Für Arbeitgeber: Faire Bedingungen und Wertschätzung schaffen

 

Viele Probleme könnten entschärft werden, wenn Arbeitgeber verstärkt auf gesundheitsfördernde und mitarbeiterfreundliche Strukturen setzen würden. Dazu gehören:

  • Realistische Zeitvorgaben und Personaleinsatzplanung: Es muss aufhören, dass eine Reinigungskraft 300 Quadratmeter Praxisräume in 45 Minuten reinigen soll – mit Desinfektion, Müllentsorgung und Dokumentation. Realistische Leistungsverzeichnisse sind essenziell.

  • Gesundheitsförderung und Prävention: Unternehmen können über die Berufsgenossenschaft (z. B. die BG Bau oder BGW) Programme zur Gesundheitsförderung in Anspruch nehmen12. Dazu zählen Rückenschulen, Stressprävention, Coaching oder der Zugang zu psychosozialer Beratung.

  • Mitbestimmung und Kommunikation stärken: Regelmäßige Feedbackgespräche, anonyme Beschwerdemöglichkeiten oder kleine Boni für gute Arbeit können das Betriebsklima deutlich verbessern.

  • Sprachförderung und Qualifizierung: Da viele Beschäftigte in der Branche Migrationshintergrund haben, sind Sprach- und Fortbildungsangebote ein Schlüssel zu Integration und Fachkräftesicherung.13

 

Für Auftraggeber: Qualität hat ihren Preis

 

Nicht nur die Arbeitgeber in der Reinigungsbranche stehen in der Pflicht. Auch Auftraggeber – ob Kommune, Klinik, Schule oder Unternehmen – müssen ein Umdenken vollziehen:

  • Keine Ausschreibung zum Dumpingpreis: Noch immer ist der Preis das entscheidende Kriterium bei vielen Vergabeverfahren. Das führt zu Lohndumping, Unterbesetzung und Stress. Ausschreibungen sollten soziale und qualitative Kriterien stärker gewichten – etwa Zertifizierungen, Weiterbildung oder tarifgerechte Bezahlung.

  • Anerkennung statt Unsichtbarkeit: Ein respektvoller Umgang mit Reinigungspersonal im eigenen Haus – etwa Namensnennung auf Aushängen, die Einladung zu Betriebsfeiern oder das Gespräch auf Augenhöhe – kann viel bewirken.

  • Transparente Kommunikation: Auftraggeber sollten Beschwerden nicht direkt bei der Reinigungskraft abladen, sondern über offizielle Wege Rückmeldungen geben. So lassen sich Konflikte professionell lösen.

 

Für die Beschäftigten: Vernetzung und Selbstschutz

 

Auch die Reinigungskräfte selbst können aktiv werden – allerdings braucht es hierfür oft Unterstützung:

  • Gewerkschaftliche Organisierung: Viele Beschäftigte wissen nicht, dass sie sich auch in kleinen Reinigungsbetrieben gewerkschaftlich vertreten lassen können – etwa durch die IG BAU. Diese bietet Beratung, Unterstützung bei Konflikten und Infos zu Rechten und Pflichten14.

  • Recht auf Pausen und Arbeitszeitdokumentation wahrnehmen: Viele Überstunden oder Pausenverkürzungen werden stillschweigend hingenommen. Beschäftigte sollten sensibilisiert werden, ihre Rechte einzufordern – notfalls mithilfe von Beratungsstellen.

  • Achtsamkeit und Selbstfürsorge: Wer Tag für Tag unter Hochdruck arbeitet, verliert leicht den Blick auf das eigene Wohlbefinden. Schon kleine Maßnahmen – wie regelmäßige Dehnübungen, bewusstes Atmen oder kurze Ruhephasen – können helfen, dem Stress etwas entgegenzusetzen.

 

Die Branche braucht einen Kulturwandel

 

Die Gebäudereinigungsbranche muss endlich als das gesehen werden, was sie ist: ein systemrelevanter Sektor mit enormer Verantwortung. Es geht um Hygiene in Kliniken, Sicherheit in Reinräumen, Wohlbefinden in Kitas, Schulen und Büros. Reinigungskräfte verdienen nicht nur faire Löhne und bessere Bedingungen – sondern gesellschaftliche Anerkennung.

Wenn alle Akteure ihren Beitrag leisten, kann es gelingen, den Beruf der Gebäudereiniger:in zukunftsfähig, gesund und attraktiv zu gestalten. Zwischen Wischmopp und Würde muss kein Widerspruch bestehen. kw

 

Fußnoten/Quellenangaben:

  1. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Psychische Belastung vermeiden – Schwerpunkt Reinigungspersonal.
    https://bgbauaktuell.bgbau.de/bg-bau-aktuell-22023/psychische-belastung-vermeiden

  2. Rudolf Weber Gebäudereinigung: Historie und Professionalisierung
    https://www.rudolfweber.de/unternehmen/historie/

  3. s. Artikel auf gebaeudereiniger-online.de: https://www.gebaeudereiniger-online.de/berichte/Tatortreiniger-Wenn-der-Job-mehr-als-nur-Putzen-bedeutet-91.html

  4. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) / Headhunter.de: Fachkräftemangel in Reinigungsfirmen
    https://personalvermittlung-headhunter.de/fachkraeftemangel-branche/fachkraeftemangel-reinigungsfirmen

  5. https://www.verbaende.com/news/pressemitteilung/studie-im-auftrag-der-hans-boeckler-stiftung-psychische-belastungen-am-arbeitsplatz-verursachen-kosten-in-milliardenhoehe-80261

  6. https://www.bgbau.de/themen/sicherheit-und-gesundheit/psychische-belastung

  7. https://www.dezim-institut.de/fileadmin/user_upload/DeZIM/PDF/Papiere_Publikationen/DeZIM-Research-Note3_Systemrelevant-prek%C3%A4r-besch%C3%A4ftigt.pdf

  8. DAK-Gesundheitsreport 2024: Fehltage in der Gebäudereinigung nach Diagnosegruppen. https://caas.content.dak.de/caas/v1/media/66764/data/b86b891f2075a89b7128c1147d99a130/240426-download-report-gesundheitsreport.pdf

  9. s. Artikel auf gebaeudereiniger-online.de: https://www.gebaeudereiniger-online.de/berichte/Reinraumreinigung-3-3-Millionen-Quadratmeter-ohne-Staub-und-Keime-92.html

  10. https://uniglobalunion.org/wp-content/uploads/FINAL_Global-Cleaning-Survey-Report.pdf

  11. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). (2022). BGW-Stressstudie: Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. OPUS 4 Repository, Hamburg.

  12. BGW Gesundheitsangebote: https://www.bgw-online.de/DE/Home/home_node.html

  13. G.I.B. NRW: Integrationsförderung in der Gebäudereinigung. https://www.gib.nrw.de/

  14. IG BAU – Reinigungskräfte organisieren sich: https://igbau.de/

Bildmaterial:

 

Bild 1: Jenny Friedrichs, pixabay.com

Bild 2: Thomas Wolter, pixabay.com

Bild 3: Alexandra Koch, pixabay.com

Bild 4: Gerd Altmann, pixabay.com

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